Die Äolsharfen
In den Schießscharten des nordöstlich gelegenen mächtigen Geschützturmes, im Volksmund „Dicker Turm“ genannt, lässt Justinus Kerner Windharfen einbauen.
Die sogenannten Äolsharfen erwachen zum Leben, wenn der Wind aus entsprechender Richtung und Stärke durch die sich nach dem Inneren des Turmes verengenden Nischen bläst und der Luftstrom die Saiten der Harfen in Schwingung versetzt.
Der Klang ist von zauberhafter Wirkung, da je nach Stärke des Windes, die Akkorde vom Pianissimo zum Forte anschwellen und wieder verhallen.
Die Äolsharfe besteht meist aus einem langen, schmalen Resonanzkasten mit Schall-Löchern, auf dem eine beliebige Zahl von Saiten über zwei Stege aufgespannt ist.
Leider werden die zarten Töne heutzutage oft durch den Verkehrslärm, der insbesondere vom unten gelegenen Weinsberger Autobahnkreuz hinaufdrängt, übertönt. Welch lautlose Ruhe, wie sie zu nächtlicher Stunde zu Kerners Zeit geherrscht haben mag, ist heute kaum mehr vorstellbar.
In unmittelbarer Nähe zu den Windharfen hat im Steinernen Album Theobald Kerner eine Reihe von Versen von seinem Vater und dessen Freunden einmeißeln lassen, die auf das „geheimnisvolle Saitenspiel“ Bezug nehmen.
Wehmutsvoll aus Mauern
Klingt mir der Äolsharfe Laut
Als hätt Natur zum Trauern
Sich Asyl hier aufgebaut
JUSTNUS KERNER
Leise werd ich hier umweht
Von geheimen frohen Schauern,
Gleich als hätt ein still Gebet
Sich verspätet in den Mauern.
Hier ist all mein Erdenleid
Wie ein trüber Duft zerflossen,
Süße Todesmüdigkeit
Hält die Seele hier umschlossen
NIKOLAUS LENAU
An eine Äolsharfe
Du einer luftgebornen Muse
Geheimnisvolles Saitenspiel,
Fang an, fang wieder an
Deine melodische Klage
EDUARD MÖRIKE
Winde hauchen hier so leise
Rätselstimmen tiefer Trauer
NIKOLAUS LENAU
In blauer Nacht bei Vollmondschein
Was rauscht und klingt so süße?
EMANUEL GEIBEL